Digital Natives Ein Sommer wie damals?

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Je früher Kinder mit Smartphones in Berührung kommen, umso schädlicher kann es für ihre Entwicklung sein. Aber wie sehen die Jungen das? Vier Mädchen zwischen elf und 15 Jahren erzählen ihre Sicht der Dinge zum beinahe omnipräsenten digitalen Begleiter.

Unsere vier Protagonistinnen auf der Couch (Fotos: Samariterbund /G.Widerin)
Unsere vier Protagonistinnen auf der Couch (Fotos: Samariterbund /G.Widerin)

Prolog

Wir schreiben das Jahr 2024. Digitale Geräte und das Internet sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Das betrifft zunehmend alle Lebensbereiche. Die nachwachsenden Generationen kennen die Welt ohne Displays, Konsolen und Computerbildschirme nicht mehr – Digital Natives werden sie genannt. Aber auch wir „Älteren“ staunen und reiben uns manchmal die Augen. Wie haben wir das Leben überhaupt bewältigen können ohne Smartphone, Laptop und Internet? Ja, das ging. Und es ging nicht schlecht. Aber wir sind nun im Hier und Jetzt. Und das ist auch gut so. Oder nicht?

Setting

Es ist heiß. Ein Sommer wie damals. Die Luft vibriert in der Stadt. Im Haus ist es schwül. Das hindert unsere vier Protagonistinnen nicht daran, auf der Couch herumzuhängen und auf Smartphones und Tablets zu schauen. TikTok, Snapchat, Insta und Co. sind angesagt. Die Schwestern Tamima (12) und Dalisha (11), sowie Leonie (12) und Melina (15) sind Wahl-Cousinen. Sie treffen sich nur ein paarmal im Jahr. Die einen sind in Wien zu Hause, die anderen tief im Westen – in Altach, in der Mitte des Rheintals. Vier Tage sind Leonie und Melina zu Besuch in Wien. Es steht einiges am Programm: Prater, Klettergarten, Gänsehäufel, Kino, Trampolinspringen und, und, und.

Digitaler Alltag im Jugendzimmer

„Wenn ich kein Handy hätte, hätte ich sicher weniger Freundinnen“, ist sich Tamima sicher. Dass es mal ein Leben ohne Smartphone gegeben hat, kann sich die Viererbande vorstellen, irgendwie halt. „Aber das wäre schlimm“, erwidert Leonie prompt, „mein Handy ist mein Wecker, meine Uhr, mein Fotoapparat, meine ganze Erinnerung, einfach alles“, zählt sie auf. Einstimmigkeit herrscht auch darüber, dass das Smartphone auch deshalb so wichtig und so gut ist, weil es viele unterschiedliche Dinge auf einem Gerät bündelt. „Seit ich zehn bin, habe ich das Handy jetzt. Tamima und ich haben ein Zeitlimit. Unter der Woche ist es weniger und in den Ferien und am Wochenende ist es mehr“, erzählt Dalisha. Maiada ist die Mutter von Dalisha und Tamima. Sie hat eine App installiert, mit der sie die Online-Zeit am Handy begrenzen und kontrollieren kann. Das hat beim Besuch aus Vorarlberg für Staunen gesorgt. Denn so etwas kennen Leonie und Melina nicht. „Ich habe mein Smartphone, seit ich in der Mittelschule bin. Davor hatte ich ein altes Handy von meinen Eltern, aber ohne SIM-Karte. So habe ich das Gerät mal kennengelernt“, erzählt Leonie. Wie lang sie online ist, sei unterschiedlich. Die Zeiten variieren zwischen zwei und sechs Stunden pro Tag. „Wenn ich Freundinnen treffe oder sonst was unternehme, bin ich viel weniger am Handy“, ergänzt die Zwölfjährige, die Wert darauflegt, dass sie bald 13 wird. Filme schaut sie lieber am Tablet. Aber Musik, Spiele und Social-Media-Kanäle hauptsächlich am Smartphone. „Manche Freundinnen sind gefühlt Jahre nicht am Handy. Das nervt dann manchmal, weil sie nicht erreichbar sind. Aber es gibt auch solche, die nur noch online sind. Mit denen kann ich dann auch nichts unternehmen“, so Leonie.

Zehn Stunden Bildschirmzeit am Tag seien da keine Seltenheit. Generell sind sich aber alle einig, dass ihr Leben, „nicht gut“, „chaotisch“ oder „schwieriger“ wäre ohne das geliebte, mit Bändchen und bunten Glasperlen verzierte Teil.

Melina (15) ist die Älteste in der Runde. „Ich bin hauptsächlich auf TikTok. Sonst noch auf YouTube und Snapchat. Über das Smartphone bekomme ich mit, was so passiert. Was es Neues gibt – und natürlich ist es auch wichtig für mich, um Dinge auszumachen. Mein Tagesdurchschnitt am Handy sind etwa fünf Stunden“, erzählt sie. Ob zu viel Handykonsum ungesund sei? „Ja, leider, sicher sogar“, betont Melina leicht verschämt. In der Schule würde auch immer wieder darüber diskutiert. Manche Lehrer:innen weisen auf die Gefahren hin. „Das ist wichtig. Vor allem für Jüngere ist das gut“, ergänzt sie. Tamima (12) ist hauptsächlich auf TikTok. Ihr Handy-Limit liegt bei zweieinhalb Stunden am Tag. Ob sie gern mehr Zeit hätte? „Ja, das wäre schon super“, sagt sie etwas leise.

Zuckerwatte statt Handy: Smartphone-Pause im Prater
Zuckerwatte statt Handy: Smartphone-Pause im Prater

Regeln sind anstrengend

Mama Maiada gibt Tamima und Dalisha auch immer wieder extra Zeit. „Das ist recht einfach mit der App. Mir ist es wichtig, dass ich weiß, wie lang die Mädels online sind am Smartphone und was sie dort schauen und machen. Und ich will, dass sie Dinge unternehmen, hinausgehen, basteln oder Musik machen“, betont sie. Dass sie da nicht immer auf offene Ohren stößt, ist mitunter anstrengend und führt auch immer wieder zu Konflikten. Aber: „Ich will ihnen einen verantwortungsvollen Umgang beibringen. Es müsste ein eigenes Unterrichtsfach dafür geben“, betont sie. Aber das bleibe oft an den Eltern hängen. „Je früher Kinder auf Bildschirme starren, umso schädlicher kann es für die Entwicklung sein. Dass diese Reizüberflutung für das Gehirn eines Kindes nicht optimal ist, liegt auf der Hand“, betont die Pädagogin und Journalistin. Fakt ist, dass dieser maßvolle Umgang nur einer sein kann, der auch von den Erwachsenen vorgelebt wird. Zudem sind Alternativen zu übermäßigem digitalen Medienkonsum meist mit Anstrengung und Mehraufwand von Seiten der Eltern verbunden.
In einigen europäischen Ländern gibt es bereits ausgeprägte Handy-Pausen für Schulkinder. Etwa in Griechenland, Italien, den Niederlanden und neuerdings auch in Belgien – überall dort gilt ein Smartphone-Verbot während des Unterrichts. In Österreich gilt kein generelles Verbot, hier entscheidet jede Schule selbst.

Smartphone-Pause: Prater wirkt

Die längste Handypause der Mädchen war am abendlichen Praterbesuch zu verzeichnen. Hier ging es rund, viel Bling-Bling, Musik, Action und Trubel. Alles dreht sich, alles bewegt sich. Reizüberflutung deluxe! Da wurde dann selbst das geliebte Smartphone zur Nebensache. Zudem war es ratsam, die Geräte nicht mit in die Achterbahn, die Aqua Gaudi oder den Jumping Tower zu nehmen. Somit durften die Erwachsenen an diesem Abend auch als Handy- und Handtaschenträger fungieren. ˜

Georg Widerin

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