Seit mehr als vier Monaten betreibt der Samariterbund Wien ein Beratungszentrum für Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine flüchten mussten. Die Nachfrage nach Sozialberatung steigt seither permanent.
Zeichnungen mit blau-gelben Herzen zieren die Wände des langgezogenen Zimmers neben der Anmeldung. Es ist der Spiel- und Aufenthaltsraum für Kinder, die gemeinsam mit ihren Eltern – zumeist ihren Müttern – vor dem Krieg in der Ukraine flüchten mussten und nun das Beratungszentrum des Samariterbund Wiens besuchen. Malstifte, Zeichenblöcke und Bauklötze sollen den Kindern während der Beratung der Erwachsenen die Zeit vertreiben, viele drücken damit ihre Sehnsucht nach ihrer Heimat und vermissten Familienangehörigen aus.
„Aufgrund der hohen Anzahl von Vertriebenen aus der Ukraine bietet der Samariterbund erstmals eine Beratungsstelle eigens für Ukrainerinnen und Ukrainer an“, erklärt Susanne Drapalik, Präsidentin des Samariterbund Wiens. „Die Beratungsstelle richtet sich an Ukrainerinnen und Ukrainer, die Fragen rund um die Themen Wohnen, Arbeitsmarkt, Freizeit und Aus- und Weiterbildung haben.“
„Da vor allem Frauen mit Kindern aus der Ukraine geflüchtet sind, bieten wir vor Ort auch einen frauenspezifischen Workshop an. Dieser richtet sich vor allem an alleinstehende Frauen, alleinerziehende Mütter und von Gewalt betroffene Frauen“, führt Daniela Frey, stellvertretende Leiterin des Fachbereichs Flüchtlingshilfe beim Samariterbund Wien, weiter aus.
Steigender Beratungsbedarf
Die Anzahl der sich in Grundversorgung befindlichen Schutzsuchenden aus der Ukraine ist steigend. Somit ist auch der Informations- und Beratungsbedarf für diese Zielgruppe gewachsen. „Alleine im August haben wir rund 900 Personen beraten“, erzählt Rainer Dohl, Sozialberater in der Beratungsstelle. Und er geht davon aus, dass die zerstörten Häuser, die kaputte Infrastruktur und die Kälte in den Herbst- und Wintermonaten den Druck auf die Menschen in der Ukraine, vor allem auf Familien mit Kindern, weiter erhöhen werden und damit auch die Fluchtbewegungen.
Für mich ist es eine schöne Herausforderung, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind und sie zu begleiten, wohin sie wollen.
Eines der Hauptthemen für die Vertriebenen ist die Wohnungssuche in der Hauptstadt. „Wir klären über die Möglichkeiten auf, ob jemand privat wohnen möchte bzw. kann oder in einer Einrichtung der Flüchtlingshilfe“, erklärt Drapalik.
Kostenlos zur Verfügung gestellter privater Wohnraum wird jedoch immer seltener. „Die Hilfsbereitschaft der Wienerinnen und Wiener ist zwar groß, aber wir merken, dass aufgrund der Teuerung viele Möglichkeiten schwinden“, sagt Carina Mudrak, die als Sozialarbeiterin seit der Eröffnung der Beratungsstelle im Mai tätig ist. „Ich übersetze nicht nur eine Sprache, sondern ein System. Es ist wichtig, den Menschen zu vermitteln, welche Anforderungen und Bestimmungen gelten und welche Erwartungen realistisch sind“, erklärt sie.
Die Beratungen finden in Einzelgesprächen in einem der zehn dafür zur Verfügung stehenden Räume statt. In einem zusätzlichen Recherche-Raum werden Informationen zusammengetragen und bestimmte Fälle nachbearbeitet. Ein kleines Zimmer für Sachspenden speziell für Kinder befindet sich ebenfalls im Beratungszentrum. Es ist das erste von mittlerweile sechs Beratungszentren in Wien, das vom Fonds Soziales Wien (FSW) gefördert wird.
Sprachbarrieren überwinden
„Die Gespräche in der Beratungsstelle erfolgen manchmal auf Englisch, das viele der jüngeren Geflüchteten gut beherrschen“, weiß Dohl. Der Samariterbund Wien verfügt aber auch über mehrere Mitarbeiter*innen mit Muttersprache Ukrainisch und/oder Russisch. Zudem stehen auch Dolmetscher*innen zur Verfügung. Erst die Beratung in der Muttersprache ermöglicht es, vor allem rechtliche oder medizinische Hilfe gezielter einzusetzen.
Die multikulturelle Atmosphäre und das gute Miteinander im Team schätzt Adriana Lungu, Sozialarbeiterin mit rumänischer und russischer Sprachkompetenz. „Immer wieder erfährt man von berührenden Einzelschicksalen“, sagt sie, „da ist es ein gutes Gefühl, wenigstens ein wenig helfen zu können.“
„Für mich ist es eine schöne Herausforderung, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind und sie zu begleiten, wohin sie wollen“, bestätigt ihre Kollegin Mudrak. Und Dohl ergänzt: „Es freut mich, dass die niederschwellige und unmittelbare Hilfe sehr gut angenommen wird. Die Menschen wollen sich integrieren und sind dankbar über unsere Arbeit. Man hilft sehr direkt und das mit einem guten Teamspirit.“
Sozialberatung für Schutzsuchende aus der Ukraine
Schönbrunnerstraße 222-228/Stg.1/6. Stock
1120 Wien
Mo-Fr von 8:30 – 13:00 Uhr
Tel.: +43 1 89 145 51000
[email protected]
Susanne Kritzer
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