Universitätsprofessor Dr. Gernot Stöglehner im Interview über die Möglichkeiten Österreichs, energieautark zu werden, die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas und die Vielzahl an ressourcenschonenden Alternativen dazu, die nur noch darauf warten, endlich umgesetzt zu werden.
Wie energieautark kann Österreich als gesamtes Land werden und sich damit unabhängig von Gas und Öl machen? Wie schnell könnte dies gelingen?
Gernot Stöglehner: Seit 25 Jahren werden Szenarien berechnet, die belegen, dass es für Österreich zu jedem Zeitpunkt möglich gewesen wäre, energieautonom zu werden. Das gilt auch heute noch. Der Energiebedarf ist in den vergangenen 50 Jahren zwar stark gestiegen, wobei er seit 2010 in etwa gleich bleibt. Es stehen aber auch neue Technologien zur Verfügung – etwa die Windkraft.
§ 4 des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes besagt, dass sich Österreich innerhalb der nächsten zwanzig Jahre klimaneutral macht. Das bedeutet den Umstieg von fossiler Energie – also Erdöl, Erdgas und Kohle – auf erneuerbare Energieproduktion, sodass man sich damit auch unabhängig vom Ausland macht. 100 Prozent Energie aus erneuerbaren Quellen bedeutet, dass man Energiegewinnung auch in der Landschaft sehen wird, z.B. Windräder und Photovoltaikanlagen. Wir müssen für den Klimaschutz die Energiewende schaffen. Dafür wird der Stromverbrauch stark ansteigen. Daher braucht es langfristige Investitionen in erneuerbare Energie. Die Wende ist aber zu schaffen.
Welche Möglichkeiten hat Österreich, selbst Energie zu erzeugen? Kann dies eine Alternative zur Abhängigkeit von Russland darstellen?
Die derzeitige Situation und Abhängigkeit von Gas und Öl haben wir in Österreich, weil in den letzten Jahrzehnten nicht ambitioniert genug an Alternativen gearbeitet wurde. Dass Energiesparen und eine Umstellung auf umweltfreundliche Energieproduktion sinnvoll sind, wird seit mehreren Jahrzehnten vorgebetet. Aber das politische Wollen hat gefehlt. Es war zu bequem, alles so zu belassen und wohl auch zu lukrativ für viele!
Um aus der Abhängigkeit von Öl und Gas zu kommen, gibt es in Österreich verschiedene Möglichkeiten. Etwa die Energieproduktion durch Biomasse, aber hier werden wir in Österreich an Kapazitätsgrenzen stoßen. Anders sieht es bei der Windkraft und bei Photovoltaik aus. Sonne haben wir mehr als genug, die Speichertechnologie ist wesentlich und entwickelt sich ständig weiter. Die beiden Energieformen aus Sonne und Wind lassen sich zudem gut kombinieren, da sie meist nicht gleichzeitig wirken – mehr Sonne im Sommer, mehr Wind im Winter. Auch Wasserkraft spielt in Österreich eine wichtige Rolle. Ebenso die Geothermie* und der Einsatz von Wärmepumpen, die allerdings auch viel Strom verbrauchen. Die Abwasserenergienutzung funktioniert überall und ist sehr einfach einzusetzen. Hier gibt es noch viel Potenzial. Mit dem Einsatz von Abwasserenergienutzung könnten zehn Prozent der CO2-Emissionen für Raumwärme eingespart werden. Das sind „low-hanging fruits“, die einfach zu ernten sind.
Wenn man das alles kombiniert und Speichertechnologien anwendet, kann man in Österreich gut durch das Jahr kommen. Die Speichertechnologie wird permanent weiterentwickelt und neue Verfahren werden erarbeitet. Dass wir in Österreich noch immer von fossiler Energie abhängig sind, scheitert nicht an der Technologie, sondern am Wollen.
Seit Jahrzehnten wird eingemahnt, dass es sinnvoll ist, vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, zu Fuß zu gehen oder Rad zu fahren. Tatsächlich wurden aber immer mehr Einkaufszentren am Ortsrand errichtet und die Zersiedlung vorangetrieben.
Zeigt der politische Wille nun in die richtige Richtung?
Nicht überall gleich und es könnte ambitionierter sein, aber vieles geht jetzt in die richtige Richtung.
Was ist im Bereich der Mobilität zu beachten, um Energie zu sparen?
Seit Jahrzehnten wird eingemahnt, dass es sinnvoll ist, vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, zu Fuß zu gehen oder Rad zu fahren. Tatsächlich wurden aber immer mehr Einkaufszentren am Ortsrand errichtet und die Zersiedlung vorangetrieben. Eine zukunftsträchtige Energieraumplanung sieht hingegen eine kompaktere Siedlung vor, um die Wege kurz zu halten, damit sie zu Fuß oder mit einem leistungsfähigen öffentlichen Verkehr gut erreichbar sind. Dafür ist ein langfristiger Plan nötig.
In der Mobilität ist vieles noch offen. Die E-Mobilität entwickelt sich derzeit rasant. Elektrofahrzeuge können gut mit erneuerbarer Energie versorgt werden. Wasserstoff kann in der Industrie, im Güterverkehr, bei Ozean-Dampfern und im Flugverkehr gut eingesetzt werden.
Welche Bedeutung kommt dem Energiesparen zu?
Energiesparen hat sehr große Auswirkungen. Der Energieverbrauch durch den weltweiten Datenverkehr ist etwa gleich groß wie jener des internationalen Flugverkehrs. Sich gegenseitig Katzenvideos zu schicken, ist zwar vielleicht lustig, cool und macht Spaß, aber nicht wirklich notwendig. Energiesparen bedeutet nicht unbedingt einen Qualitätsverlust.
Ein Beispiel aus Japan: Als 2011 die Nuklearkatastrophe in Fukushima das Atomkraftwerk zerstörte, wurde in Japan auch in anderen Atomkraftwerken die Produktion zurückgefahren. Die Folge war, dass viele Energiesparmaßnahmen gesetzt wurden, die Leuchtreklamen über Nacht abgeschaltet und Einkaufszentren nicht so stark temperiert wurden. Ich wurde damals zu einem Forschungsaufenthalt nach Japan eingeladen und habe die Situation vor Ort kennengelernt. Trotz Energiesparmaßnahmen haben außerhalb der Katastrophengebiete ein Großteil der Wirtschaft und das Leben in Japan weiterhin funktioniert, wenn auch mit Einschränkungen und etwas anders.
Ein anderes Beispiel ist die Gaskrise in Australien 2008, als eine Erdgas-Pipeline durch eine Explosion zerstört wurde und anschließend die Gasversorgung von Perth weitgehend zusammenbrach. Infolgedessen fehlte eine wesentliche Energiequelle über längere Zeit. Ich hatte zu dieser Zeit einen Gastlehrauftrag in Perth und habe im Alltag miterlebt, wie sich das Energiesparen auswirkte. Die Australier haben sich einen regelrechten Sport daraus gemacht, Energie zu sparen, weniger zu heizen und dafür mehr Gewand anzuziehen. Meine Familie und ich haben das natürlich ebenso gemacht. Der australische Winter mit Temperaturen um die Null Grad am Morgen und schlecht isolierten Häusern war fordernd. Es war richtig kalt und meine damals noch kleinen Kinder haben in der Nacht manchmal mit Hauben geschlafen. Aber Australien hat weiter funktioniert.
Haben Sie zum Schluss noch einen Tipp für Privatpersonen, wie sie möglichst ressourcenschonend über den Herbst und Winter kommen?
Jeder kann überlegen, was die größten Energieverbraucher im Haushalt sind und – soweit möglich – auf energieeffiziente Geräte und auf erneuerbare Energie umstellen. Letzteres ist natürlich im Einfamilienhaus leichter umzusetzen, als in einer Mietwohnung in Wien. Aber auch hier gibt es Möglichkeiten, zum Beispiel bei der Wahl eines Ökostromtarifs oder indem man sich an erneuerbarer Energiegewinnung finanziell beteiligt. Es zahlt sich aber auch aus, mehr mit Öffis zu fahren, die Raumtemperatur um nur ein Grad zu reduzieren – das spart 6 – 8 Prozent Energie – oder Geräte abzuschalten statt auf „Stand by“ laufen zu lassen. Die Summe der Einsparungen macht den Unterschied aus.
Susanne Kritzer
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